Freitag, 24. März 2017

Seifenblasen in der Stadt

Ich lief Seifenblasen pustend
durch  Stadtstraßen und beobachtete,
wie der Tag unterging.
Längst waren goldene und blaue Stunde
vorübergezogen, Menschen
schalteten Lampen und Lichter
in Zimmern und Kammern an.

Abendbrotzeit,
Beisammensitzen und Stunden Revue
passieren lassen.
Zusammensitzen und streiten.
Zusammensitzen und Probleme wälzen.
Zusammensitzen.
Oder alleine auf einer Couch,
vollgestopft mit Kissen und 
Einsamkeit.

Der Duft nach Frühling überwältigte mich
und zerblies meine Seifenblasen.
Sie verteilten sich in alle Richtungen,
zerstreuten sich und mich,
Straßenlaternen spiegelten sich in
Seifenlauge.
Während Autos meine Seifenblasen
hin und her tanzen ließen,
zog ich weiter.

Hinauf auf das höchste Dach,
hinein in den tiefsten Keller,
wo mochte die Aussicht besser sein?
Ich war neugierig und müde,
als ich um die Ecke bog.

Donnerstag, 16. März 2017

Eis isst man im Sommer.

Die Blumen und Pärchen
in Park und Anlagen irritieren mich, 
während Eis auf Haut tropft.
Eigentlich mag ich kein Eis, 
es ist kalt und nass und klebrig, 
zu süß für diese Jahreszeit.

Eis isst man im Sommer. 
Wenn Sonne vom staubgetrockneten 
Himmel knallt und es in der Straße 
zum Freibad hin nach tausendfach getrocknetem
Badezeug duftet. 
Wenn der Eismann abends, 
pünktlich um halb sieben vor der Haustür
klingelt und Kinder wie Erwachsene
Geld in die Höhe strecken, um 
Eine Kugel Vanille und einmal Schokolade, bitte!
freudig aus dem weißen Lieferwagen
heraus in Empfang nehmen.

Eis isst man im Sommer.

Wenn Schwalben wie 
Kamikaze-Flieger Manöver 
über Biergartengästen fliegen, 
wenn Glühwürmchen sich zärtlich
ihre Liebe geschehen 
und wenn in der Luft, 
zusammen mit unendlich fein gewebten Spinnen-
netzen ein Hauch Staubigkeit 
vermischt mit 
Sommergewitter liegt.

Der Tropfen Zitroneneis läuft mir
übers Handgelenk, 
träge schlecke ich 
ihm hinterher.
Ein Hund bellt in der Dämmerung.

Dienstag, 7. März 2017

Schneeglöckchen

Zwischen Schneeglöckchen, Erdklumpen und Eiskruste sudelte das Blut auf den Boden, das aus der gierenden Wunde zwischen ihren Schulterblättern quoll.
Zäh und langsam quälte es sich den Rücken hinab, hinterließ eine fragezeichengeschwungene Linie, die sich einem roten Faden ähnlich sogar über das Schneeglöckchenweiß erstreckte.
Sie würgte trocken, Tränen schossen ihr dabei in die Augen, wahrscheinlich das erste Mal.

"Du kannst mich mal!", ihre Kehle brachte nicht mehr heraus als ein Keuchen, das an das erstickende Schuhu einer Schneeeule erinnerte.

Er sah sie an, lange und irgendwie intensiv. Voller Gefühle, die sie nicht zu deuten wusste. Waren es Wut und Zorn? War es Trauer? Enttäuschung?
Während er zermürbend langsam den Kopf schüttelte, versuchte sie sich auf das Wesentliche ihrer momentanen Situation zu konzentrieren.

Wo war sie? Irgendwo in der Pampa, im Nirgendwo.
Kein Handyempfang,vermutete sie, wenn sie Glück hätte, GPS.
Wieso war sie hier? Ihr Kopf ratterte alles herunter, was er an Information über die letzten...acht, oder waren es neun? Stunden finden konnte.
Disco, Club, zu viel Alkohol - Fetzen, die ihr blitzlichtartig durch die Gedanken zogen und mit denen sie doch so wenig anfangen konnte.
Sie waren tanzen gegangen, wollten ein wenig feiern und ihren Spaß haben. Spaß.
All das schien ihr Jahre weit weg, gerade gab es nur sie, ihn und das Blut, das literweise aus der Klaffwunde auf ihrem Rücken sprudelte. Sie blickte unter sich und sah die rotgesprenkelten Schneeglöckchen.
"Scheiße!", entfuhr es ihr.

"Wunderschön, sehen sie aus, nicht wahr?"
Seine Stimme war ruhig und kratzig, hatte einen Hauch Monotonie an sich, der sie anwiderte. Zu viel Selbstverständlichkeit, zu viel Alltag.
"Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!"

"Einen Scheißdreck werd ich tun, du Monster!" Obwohl sie am ganzen Körper zitterte, kamen die Worte laut, deutlich und selbstbewusst zwischen ihren Lippen hervor.
Sie versuchte sich aufzurichten, bei jeder noch so kleinen Bewegung schienen sich abertausende Messer zwischen ihre Schultern zu bohren.

Stunde um Stunde zog an ihrem Auge vorbei, ohne dass sie sich richtig oder überhaupt daran erinnern konnte. Was war geschehen nachdem sie im Club angekommen waren?

Um sie herum Musik, mit der man Zimmerpflanzen zum Eingehen brachte und Kakteen sterben lassen konnte.
"Wer von euch wollte eigentlich hierher kommen?"
Worte, die leichtfüßig zwischen ein paar "Prost" dahingesagt waren.
Irgendwer hatte sie von hinten gegen einen ihrer Kumpels geschubst, eine Sekunde lang hatte sie dabei in ein Gesicht sehen können, ohne sich jedoch zu merken, wie es ausgesehen hat.
Ein Allerweltsgesicht, nichts Besonderes, nichts Außergewöhnliches.
Ein Mann mit Dreitagebart und stumpfen Augen. Vielleicht zugedröhnt, vielleicht auch nur betrunken oder am Nachdenken.
Sie hatte ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt, war zu sehr damit beschäftigt gewesen, mit ihren Kumpels Blödsinn zu machen.

Jetzt kniete sie auf der Erde, während ihr Blut die weißen Schneeglöckchen befleckte und sie schuldig aussehen ließ.




Sonntag, 5. März 2017

Zuhause in der Dunkelheit

Weit weg ihre Gedanken, als sie im Hier und Jetzt 
den Regen auf ihrer Haut spürt.
Die Tropfen tanzen in der Dunkelheit, 
die sie so vollständig umgibt und in der sie sich so zuhause fühlt. 
Zuhause in der Dunkelheit. Sie lächelt.
Nikotin brennt auf ihren Lippen - 
bitter, befreiend.
Noch ein Zug, ehe die Zigarette
verglimmt.
Im Wald hinter dem Haus 
fauchen Bäume im 
winterlichen Wind, 
sie singen und zischen, 
Äste knurren, 
ab und zu kann sie ein Käuzchen
hören. 
Zuhause in der Dunkelheit. 
Schauer kriechen ihr als 
Gänsehaut den Rücken hinunter.
Bin ich hier? Bin ich ich? 
Wo bin ich?
Ein Regentropfen platscht auf den
bloßen Arm und
hinterlässt Feuerbrennen.
Es ist Nacht, denkt sie, Schlafenszeit.
Kann ich mich verlieren, 
wenn ich schlafe? 
Sie schüttelt den Kopf. 
Mehr, um Gedanken zu vertreiben, 
als um eine Antwort auf 
ihre eigene rhetorische Frage 
zu finden.
Ich möchte die Dunkelheit umarmen, 
mich in ihr wohlfühlen, 
sie zu meinem Zuhause machen. 
Wortfetzen, die sie mit Angst erfüllen, 
obwohl sie aus ihr selbst kommen.
Zuhause in der Dunkelheit.


Donnerstag, 2. März 2017

Long Way down

Ihre Hand zitterte kaum noch, als sie nach dem Smartphone in den Tiefen ihrer Jeanstaschen kramte. Um sie herum flirrte die Luft im Wind, der sich seit einigen Stunden hartnäckig am Festsetzen war. Sie zuckte ein wenig zusammen, als die Fingerspitzen das Metallgehäuse des Mobiltelefons berührten.
Ein Blick auf das Displayfeld genügte ihr.
Wie wild blinkte die Benachrichtigungsleuchte, aggressiv in Cyanblau. Eine Pop-Up-Nachricht öffnete sich ungefragt und erhellte das  Schwarz des Displays.

"Alles gut bei dir?"

Sie schnaubte, leise, aber aus tiefster Überzeugung heraus, ehe sie das Fenster wegdrückte.
Alles gut. Alles gut?

Kurz zögerte sie, spürte, dass ihre Gedanken sich zusammenzogen wie dunkle Wolken es kurz vor einem Gewitter tun.
Eine Windböe vertrieb ihr heraufziehendes Gedankenunwetter jedoch, sie hatte ihr Gewitter bereits hinter sich.

*

Hektisch fing sich ihr Atem in der Maske, die sie sich über Mund und Nase gezogen hatte. Wozu eigentlich? Vielleicht wollte sie nicht erkannt werden, vielleicht ertrug sie den Gestank auch nicht. Einerlei, dachte sie und schmunzelte über ihre Wortwahl.
Für eine Sekunde ließ sie den Blick durch den Raum wandern, versuchte, ihn nicht mit ihren eigenen Augen zu sehen, sondern mit seinen.
Mit seinen dunkelgrünen Augen, die weit geöffnet waren und in denen Tränen funkelten. Die Augenbrauen  schienen ein Eigenleben entwickelt zu haben, abwechselnd hoben und senkten sie sich, möglicherweise im Gleichklang zu seinem Atem.
Belustigt, beinahe spöttisch sah sie auf ihn hinab. Kalt blitzten ihre Augen, um ihre Mundwinkel zuckte ein Lachen, wirr, irgendwie verrückt.
"Niemand hätte das gedacht, nicht wahr?" Rau hallten die Worte in der Dunkelheit wider, halfen ihr, sich wohlzufühlen.
"So sieht man sich wieder, in alter Frische, wie man so schön sagt."
Er versuchte dem Griff ihrer Hand in seinen Haaren zu entkommen - es war nicht mehr als das Winden eines Regenwurms auf dem Trockenen.
"Du magst doch Sprichwörter, mochtest du doch immer!" Sie hauchte es fast in sein Ohr, ihre Lippen berührten dabei sein Ohrläppchen. Wieder zuckte er zurück, sein Atem ging deutlich schneller, Würgelaute drangen aus seinem Mund.

"Was habe ich dir getan?" Ein Winseln, ein Flehen, ausgestoßen, um das erbärmliche Leben zu retten, auf das er so stolz war.

Sie lachte, laut und böse, der Griff in seinen Haaren verstärkte sich, sie riss seinen Kopf nach hinten, zwang ihn, ihr in die Augen zu sehen.
"Du hast mir mein Leben zerstört!"
Brutal ließ sie das Haarbüschel los, das sich zwischen ihren hungrigen Fingern verlockend angefühlt hatte.

"Du hast mein Leben zerstört und dafür", sie flickte eine Kunstpause in ihre Worte, "wirst du nun büßen!"

*

Das Handy in ihrer Hand vibrierte, es schien ein Anruf zu sein, das Summen wollte nicht enden und war kurz davor auch  die letzten  funktionierenden Nerven zu ruinieren, die sie noch hatte.
"Was?", blaffte sie nach einer kurzen Wischbewegung in das Smartphone.
"Wieso reagierst du nicht auf meine Nachrichten?" Die Stimme am anderen Ende war aufgeregt und schien sie durch die Leitung stehenden Fußes in den Boden stampfen zu wollen.
"Du  bist nicht mein Kindermädchen!" Sie war kurz angebunden, wozu sollte sie sich rechtfertigen? War sie irgendwem auch nur einen Hauch Irgendwas schuldig?
"Ich hab mir Sorgen gemacht!" "Und ich hab dich nicht darum gebeten, dir Sorgen zu machen!" Keine Nähe, keine Wärme zulassen. Emotionen außen vor lassen.
Sie wusste was geschehen konnte, wenn sie sich auf ihre Gefühle verlassen wollte.

*

Einmal, zweimal hatte sie schon zugeschlagen, hatte sie ihrer Wut, all ihren aufstrebenden Emotionen freien Lauf gelassen. Sein Geschrei war süßer als jede Melodie, die sie zuvor in ihrem Leben gehört hatte.
"Schrei nur, schrei, und sing mir das Lied vom Leid!"
Verrückt und psychopathisch war ihr Lachen, während Blutfetzen und Hautbrocken auf ihren Kleidern kleben blieben.
"Du verdammte Schlampe!", röchelte er heiser und fing an, sich zu übergeben.
Ein Quell aus frischem Blut sprudelte zwischen seinen Lippen hervor, es erinnerte sie an diese kitschigen Springbrunnen in penibel gepflegten Parks, wo Menschen pseudo-glücklich allsonntäglich ihre Hunde und Gatten hin ausführten.
"Du hast mir Alles genommen, alles, was mir in meinem verfickten Leben was bedeutet hat! Du hast sie mir genommen, dafür wirst du sterben!"
Ihr Herz bebte, ihre Lungen brannten und sie konnte sein Blut trotz der Maske auf ihrer Zunge schmecken. Bitter und kalt, wie Rache serviert werden sollte.
Sie sah auf ihre Hände hinab, in denen sie das kleine, leichte Beil hielt.
7,99Euro hatte es gekostet, "Küchenbeil" hatte auf der Rechnung gestanden und in seinem Blau-Gelb erinnerte es eher an einen zu lang geratenen Minion, anstatt an ein Werkzeug, das den Tod im Gepäck hatte. Es wog nicht viel in ihren Händen, passte sich an die Handanatomie geschmeidig und angenehm an. Sie würde keine Blasen davon bekommen, selbst wenn sie längere Zeit damit hantieren müsste.
Rachlust, gepaart mit Mordwillen - herrlich diese Kombination, die in Verbindung mit ihrem inneren Psychopathen nahezu grenzenlos war.

Als würde sie zu einem   Matchball beim Tennis ausholen, schwang sie das Beil, die schneidige Klinge blitzte mit ihren Augen um die Wette. Dunkelrot auf Metall - ein befreiender Farbverlauf.

Sein Schrei war überwältigend und enorm, als die Beilklinge ihm den Schädel spaltete.
Hirnmasse mit Blut verteilte sich auf dem Staub des Bodens, ein dunkler Brei, der sich tief in seinen Untergrund fressen würde.

*

Während die Stunden vorüberzogen, prägte sie sich jedes Detail, jede Kleinigkeit, jedes Dreckkrümelchen genau ein, um es später jederzeit wieder abrufen zu können. Sie lehnte am Geländer der Brücke, die über den Fluss aus der Stadt hinaus führte. Obwohl sie auf die Wasseroberfläche starrte, nahm sie nicht wahr, was sie sah.
Auf ihren Lippen blühte wunderschön das erfüllende Lächeln von Wahnsinn und Rache.