Montag, 21. November 2016

Schrei

Ihr Schrei hallte durch Nacht und Straßen, obwohl der Tag gerade erst angebrochen war. Ich konnte deutlich hören, wie irgendwo eine Tür zugeschlagen wurde.
Zehn nach acht. Ich nahm einen Schluck Tee, persischer Granatapfel, Rot wie Blut, ging mir durch den Kopf. Und Schwarz wie Ebenholz, antwortete leise eine Stimme aus meinen Gedanken heraus.
Süß und herb, wie Sonnenschein im Winter, rann wohlig die Wärme meinen Hals hinunter, während einige Wohnungen weiter vielleicht die Welt am untergehen war.

Ich warf einen Blick auf die Uhranzeige des Küchenradios - viertel nach acht.  Es war ruhig  geworden nebenan, die Ruhe nach dem Sturm? Eine Sekunde überlegte ich, wann die Schreierei begonnen hatte, ich zog die Nase kraus.
Mein Teewasser hatte gerade zu kochen angefangen, als die ersten Schrillschreie ihrer Minnie-Mouse-Stimme durch den Morgen trompetet waren.
"Wie konntest du, was hast du nur getan?"
Hysterie am Morgen, gab es etwas Schöneres? Nachdem ich den Teebeutel in den Wasserbläschen meiner Tasse versenkt und mich gemütlich auf den Küchenstuhl geknautscht hatte, mümmelte ich eine Weile auf einer Scheibe Brot herum. Die Kruste war beinahe abgeknabbert, ehe das Drama im Hörspielformat live aus der Nachbarschaft weiterging.
Popcornkauend im Kinosessel  sitzend kam ich mir vor, wie ich in Flauschdecke und Pyjama geradezu auf eine Fortsetzung wartete.
Gemurmel, Genuschel, Stühle, die über den Holzboden geknarrt wurden - irgendwie passte die Geräuschkulisse zum Rest dieses Novembermorgens.
"Scheiße!"
Ich zuckte in meiner flauschigen Decken-Pyjama-Festung zusammen, Gänsehaut kroch mir über den Rücken und ich umklammerte meine Teetasse, um ein bisschen Wärme tanken zu können.
Totenstill war es im Hausflur, ob die anderen Wohnparteien auch gespannt die Luft anhielten und warteten, wie es weiterging?
Irgendwo randalierte wer, durchbrach den Meditationsähnlichen Zustand. Erst jetzt nahm ich wieder das Radio wahr, das belanglos einen Song der unendlich gleichen Schmuserapper vor sich hinsudelte.
Während ich mich noch ein wenig tiefer in die Deckenkombi kuschelte, hörte ich unbarmherzig das Dröhnen meiner Türglocke.

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