Sonntag, 31. Juli 2016

Ich wollte dich eigentlich anrufen...

Menschen ziehen an uns vorbei, wir streifen Schultern und Handtaschen. Irgendwo duftet es, nach was, weiß ich nicht genau. Vielleicht gedämpfte Karotten mit Ingwer. Oder Aubergine mit Schafskäse, wer weiß. Menschenmassengetrieben unterhalten wir uns, ehe wir im Sog der Gassen untergehen. Fremde Gesprächsfetzen mischen sich mit unseren eigenen, verwirren sich zu einem Kunterbunt aus Worten, Sprachen und Sätzen.
Mal hinter-, mal nebeneinander, eng beisammen oder in einigen Metern Entfernung schlagen wir uns durch das Dickicht aus Leibern und Haaren. Irgendwann ist es Abend geworden, wohin der Tag verschwunden ist, interessiert hier niemanden. Warm steht die Sonnenluft zwischen Häuserreihen, kaum jemand trägt schon seine Jacke.
Ich sehe sie vor mir, lasse sie nicht aus den Augen, in diesem Gewühl würden wir unweigerlich verloren gehen. Ihre Stimme hab ich im Ohr, klangvoll, melodiös. Ich versuche, ihre letzten Worte im Kopf zu behalten, um gleich zu unserem unterbrochenen Gespräch zurückzufinden.
Von einer kleinen Bühne her plätschert Musik zu uns, ein Klassiker, ich kenne das Lied, denke ich. Dabei habe ich keine Ahnung, wie es heißt oder von wem es sein könnte und trotzdem fühlt es sich an, als hätte ich nie was anderes gehört. In Gedanken summe ich den Rhythmus mit, mein Herz ist frei und leicht, unbeschwert und voller Sommer.
"Ich wollte dich anrufen, aber dann habe ich gerade an dich gedacht!"  Sie ist neben mir stehengeblieben, ihr Arm berührt sanft meinen. Ich schaue zu ihr, ziehe die Brauen fragend zusammen. "Mein Bruder schreibt mir das manchmal, wir haben so eine Abmachung..."
Energisch presst sich eine Dame an uns vorbei, schiebt uns ein Stückchen näher zusammen. Wir scheinen im Weg zu stehen, geht mir durch den Kopf. Und wenn schon.
"Was ist das für eine Abmachung?" Ich bin neugierig geworden..
"Ach, eine schöne eigentlich. Wir haben abgemacht, dass wir statt viel zu schreiben oder telefonieren einfach aneinander denken. Ganz unkompliziert."
In ihrem Blick spiegeln sich genau in diesem Moment, in dieser Gasse, auf diesem Kopfsteinpflaster zwischen all den Menschen unglaublich viele Gefühle. Ich genieße es, den Emotionsregenbogen eine Sekunde ungestört beobachten zu können, ehe er erloschen ist und Umgebung und Realität sie wieder eingeholt haben.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Urban I

In Stadtwiesen nach vierblättrigem Klee suchen, Glück finden.
Unglück mindern, die Nase im Wind des morgendlichen Flussaromas.
Kühl kitzeln Regentropfen  Fußknöchel, abgestreift von Grashalmen.
Glücks(klee)flächen zur Selbstbedienung und to go.

Montag, 25. Juli 2016

Lass mich dir den Sonnenaufgang zeigen

Lass mich dir den Sonnenaufgang zeigen, von meinem Teil der Stadt aus ist er noch schöner!
Sagte sie und ihr Blick entschweifte in die Gassen, deren Kopfsteinpflaster so krumm war, dass feine Damen in schnieken Sneakers langsam wie ihre Schatten wanderten, bis sie schließlich im Gewühl der Vorabendstadt entschwunden waren.
Sonnenstrahlen fingen sich auf ihrer Nasenspitze, flüssiges Rosé-Gold, Abendstimmung. Ein paar Haarsträhnen fielen ihr irgendwie in die Augen, wie zufällig wischte sie sie weg und stupste in einer Bewegung ihre Brille wieder ein Stück weiter den Nasenrücken hinauf. Ruhig und entspannt ging ihr Atem, wenn sie sie ganz genau betrachtete, konnte sie den leichten und feinen Puls ihrer Halsschlagader erkennen. Auf ihren Lippen kräuselte sich ein Lächeln, ganz Lebensfreude, ein Hauch Amüsement.
Schelmisch blitzten ihre Augen sie an, als wollten sie von tausend Geschichten erzählen, die gerade erst im Entstehen waren.
Du willst mir den Sonnenaufgang zeigen?
Sie griff nach ihrer Hand, zart süß fühlte sich die Berührung an, die einen Moment prickelte wie Sprudelperlen.
Komm, ich zeig's dir!

Freitag, 22. Juli 2016

Grundlos Lachen

Grundlos Lachen,
dabei verzieht sich das Gesicht
zu einer Grimasse aus Freude.
Grundlos lachen und
der Tag wird plötzlich so viel
schöner, als man geplant hatte.
Ein Lied, eine Erinnerung, ein Wort
und grundloses Lachen
verliert seine
Grundlosigkeit.

Dienstag, 19. Juli 2016

Pixel-Klumpen

Hab ich gerade richtig gehört und sie hat "Pixel-Klumpen" gesagt? Ich starre sie an und bemerke gerade noch im letzten Moment, in dem die Starrerei nicht peinlich ist, dass ich schnell wieder meinen wahrscheinlich leicht dümmlichen Blick von ihren Lippen lösen sollte. Ich schlucke, mein Mund ist ganz trocken. Doch, sie hat "Pixel-Klumpen" gesagt, ich bin mir ganz sicher. Sehr sicher. Vielleicht zu... 65%. Oder so. Ich seufze innerlich, mein Verstand hängt größtenteils immer noch an der Überlegung fest, ob es heute nicht die falsche Entscheidung war, die Bürobluse langärmelig zu tragen. Bei ungefähr 35 Grad Außentemperatur muss doch das innovativste und aluminiumfreiste Deo versagen! Oder? ODER?!
Ich kann dem Drang gerade noch widerstehen, den linken Arm zu heben, um eine Kurzkontrolle in Richtung Achsel zu unternehmen.
Konzentrier dich, sie redet mit dir. Sie redet und redet, Preislisten hoch, Formate wieder runter, als würde sie Klavier mit den Buchstaben und Zahlen spielen und sie zu attraktiven Angebotsmelodien vertonen.
Ich schaffe es, mich zu räuspern, streiche schwitzig eine Haarsträhne hinters Ohr und lausche wieder unkonzentriert ihren Worten.
PIXEL-KLUMPEN?!

Erinnerung aus Eis

Erinnerung an Tage, die staubig waren und an denen man erst dann wieder zuhause sein musste, wenn die Lichter am Abend angingen. Die halbe Nacht auf der Straße sitzen und die Wärme des Asphalts durch den Radlerhosenstoff spüren,  während Fahrrad, Roller oder Inlineskates in der Rinne liegen. 
Die Augen schließen und denken, diese Zeit würde nie enden, nie würden die großen Ferien, sechs Wochen Unendlichkeit, zu Ende gehen. 
Wenn ich tief einatme, schmecke ich noch den süßen, duftigen und leichten Geschmack meines Kindersommers auf den Lippen. Sonnencreme, Planschbeckenwasser mit Fliegenleichen, Barfußlaufen. 
Beinahe kann ich unser Glücksgeschrei noch hören, wir waren unendlich glücklich.
Abends, wenn die Sonne nur noch verwoben durch den Dorfwald schimmerte und die Straßen der Siedlung in Sattgrün hüllte, lagen wir auf der Lauer. Silbermünzen fest in unsren Kinderfäusten, 1 Mark für zwei Bällchen Eis.
"Einmal Zitrone und einmal Schlumpfeis!" 
Cremig und blau genossen wir das Tageshighlight. Versonnen saßen wir auf Mauern und Straßen aufgereiht, barfüßig und dreckig, ohne Smartphone, ohne Internet, ohne WLAN. 
Wir schleckten Erinnerungen aus Eis, die bis heute nicht aus unserem Gedächtnis geschmolzen sind.

Sonntag, 17. Juli 2016

Kalte Tränen

Man steht voreinander, irgendwie wort- und atemlos. Stille umfängt das Schweigen, das vielleicht behaglich und vertraut sein sollte. Blicke streifen über Autos und verlieren sich im Sommerwind, der verheißungsvoll über nackte Knie streicht. Hände berühren sich, Schultern lehnen aneinander, Herzschlag. Im Einklang und doch soweit auseinander, fast schon eine Zeitzone entfernt. Man redet und lacht trocken, Worte lallen lippenlos durch Luft, finden Gehör. Irgendwo riecht es nach Regen, frisch und süß, es kühlt ab. Auf  der Autobahn wird der Verkehr allmählich ruhiger, Feierabendstimmung im Land des rollenden Blechs.
Gedanken verflüssigen sich wie Schokolade in der Sonne. Sie entkommen in kalten Tränen, die langsam an Nasenflügeln hinabgleiten.
Man steht sich gegenüber, irgendwie fremd und doch ungewohnt vertraut.

Dienstag, 5. Juli 2016

Meer gesehen

Manchmal geht man mit offenen Augen durchs Leben, dann wieder sind sie verschlossen und man tappst halbblind durch Gassen und Flure.
Menschen sehen, Menschen wahrnehmen. Sie samt ihrer Probleme und Wünsche, so geheim die auch sein mögen, erkennen, sie ernst nehmen.
Manchmal reicht der Funke einer Ahnung, was einen Menschen beschäftigt, ihn vielleicht bedrückt und traurig macht. Manchmal muss man seinem Gegenüber aber tief in die Augen schauen, um die Firewall zu durchbrechen, die man sich im Alltag so aufbaut.
*
Ich ziehe durch die Straßen der kleinen Stadt, in der ich meinen Wagen geparkt habe. "Drei Stunden gratis parken" versprach der Werbeslogan auf dem Schild - sofern ich das Kauderwelsch Holländisch richtig entziffern konnte. Egal, jetzt steht das Auto da, wo es steht, basta.
Der Wind zieht stürmisch durch die Gassen, Meeresrauschen trägt er an mein Ohr, das Geblubber von Touristen außerdem. Japanisch, Deutsch, Englisch. Zwischendrin erfrischenderweise un petit peu de Francais, je t'aime la diversité culturelle.
Einen Augenblick schließe ich die Augen und höre das Gekicher von Jungmöwen, ganz nahe des kleinen Yachthafens. Sie spielen gemeinsam im Wind, lassen sich treiben und von einzelnen Böen wieder auffangen. Ich beobachte sie kurz, ehe ich weitergehe. Restaurants und Bars reihen sich im Licht der untergehenden Sonne aneinander, sie schmiegen sich in die Enge der Straßen. Autos brettern über Kopfsteinpflaster, übertönen das Möwengekicher und das Rauschen des Meereswindes gleichermaßen. Salzluft setzt sich in meiner Lunge fest, wie Sand in den Rillen meiner Schuhsohlen.

Samstag, 2. Juli 2016

Richtung Meer, Richtung Herz

Seeluft schnuppern, Sand unter den Schuhen knirschen hören - das Meer schon beinahe in greifbarer Nähe. Ich schmecke schon den Salzdunst auf meinen Lippen, lausche dem Branden der Wellen.
Mein Herz schlägt und ich spüre, dass es schon im Einklang mit dem Wind der Küste geht. Ein weites Pochen, das Energie durch meine Adern schießt, ich fühle mich so frei.
Auf die Autobahn, Richtung Meer.