Dienstag, 5. Juli 2016

Meer gesehen

Manchmal geht man mit offenen Augen durchs Leben, dann wieder sind sie verschlossen und man tappst halbblind durch Gassen und Flure.
Menschen sehen, Menschen wahrnehmen. Sie samt ihrer Probleme und Wünsche, so geheim die auch sein mögen, erkennen, sie ernst nehmen.
Manchmal reicht der Funke einer Ahnung, was einen Menschen beschäftigt, ihn vielleicht bedrückt und traurig macht. Manchmal muss man seinem Gegenüber aber tief in die Augen schauen, um die Firewall zu durchbrechen, die man sich im Alltag so aufbaut.
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Ich ziehe durch die Straßen der kleinen Stadt, in der ich meinen Wagen geparkt habe. "Drei Stunden gratis parken" versprach der Werbeslogan auf dem Schild - sofern ich das Kauderwelsch Holländisch richtig entziffern konnte. Egal, jetzt steht das Auto da, wo es steht, basta.
Der Wind zieht stürmisch durch die Gassen, Meeresrauschen trägt er an mein Ohr, das Geblubber von Touristen außerdem. Japanisch, Deutsch, Englisch. Zwischendrin erfrischenderweise un petit peu de Francais, je t'aime la diversité culturelle.
Einen Augenblick schließe ich die Augen und höre das Gekicher von Jungmöwen, ganz nahe des kleinen Yachthafens. Sie spielen gemeinsam im Wind, lassen sich treiben und von einzelnen Böen wieder auffangen. Ich beobachte sie kurz, ehe ich weitergehe. Restaurants und Bars reihen sich im Licht der untergehenden Sonne aneinander, sie schmiegen sich in die Enge der Straßen. Autos brettern über Kopfsteinpflaster, übertönen das Möwengekicher und das Rauschen des Meereswindes gleichermaßen. Salzluft setzt sich in meiner Lunge fest, wie Sand in den Rillen meiner Schuhsohlen.

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