Dienstag, 13. Dezember 2016

Yes, Virginia, there is a Santa Claus.

"Yes, Virginia, there is a Santa Claus. He exists as certainly as love and generosity and devotion exist, and you know that they abound and give to your life its highest beauty and joy."

Ich war noch klein, als meine Urgroßmutter die Worte, die Francis P. Church am 21. September 1897 in der New York Sun auf ihre Reise durch Zeit und Generationen schickte, vorlas. Auf ihrem Schoß sitzend, an der Tischdecke zerrend und mit den Beinen baumelnd lauschte ich ihrer Stimme.
Irgendwie lag Traurigkeit in ihr, hörte ich ein Zittern heraus? Mein kindliches Ich, vielleicht sechs Jahre alt, verscheuchte den Gedanken daran und ich vergas für lange Zeit den bewegenden Text.

Heute, über 119 Jahre nach Veröffentlichung des wohl berühmtesten  Leitartikels aller Zeiten, erinnerte ich mich wieder daran.
Ich sehe mich in ihrer kleinen Wohnung, Zeitungen auf dem Tisch, Kreuzworträtsel, halb gelöst, halb vollgekritzelt mit meiner Geheimsprache, die nur und ausschließlich ich verstanden hab. Es ist warm im Raum, draußen wird es langsam dunkel und die Heizung knistert gemütlich. Beinahe ist Winter, gerade noch so Herbst.
Uromas Kaffee steht in ihrer alten Tasse auf dem Tisch, ein paar Tropfen sind wohl auf den Zeitungen gelandet, als ich mich mit Karacho zur Begrüßung in ihre Arme gestürzt habe. Sie erzählt mir von früher, wie immer, wenn ich sie danach frage. All ihre Geschichten und Erfahrungen verpackt sie in wundersame Märchen, voller Gefühl und Wahrheit. Ich hänge an ihren Lippen, kann kaum genug bekommen von ihren Erinnerungen. Manchmal wird ihr Blick so traurig, dass ich sie ein wenig in den Arm nehmen muss, um ihr vielleicht ein bisschen Schmerz zu nehmen. Ich denke nicht darüber nach, mein kindliches Ich schenkt ihr Unbeschwertheit und Trost.
Ganz genau kann ich mich daran erinnern, wie sie mich dann anlächelte, eine Träne aus den Augenwinkeln wegblinzelte und mich mit den vielen Lachfalten ansah, die ich so sehr an ihr liebte.

Sie greift mit einem verschmitzten Lachen nach einer Zeitung, gerade nach der, auf der sich die Kaffeepfütze gesammelt hat.
"Ich lese dir eine Geschichte aus der Zeitung vor", kündigt sie mir an und zieht mich auf ihren Schoß, obwohl ich eigentlich schon zu groß bin, um dort noch bequem sitzen zu können.

"Virginia, you're little friends are wrong. They have been affected by the skepticism of a skeptical age." Natürlich liest sie mir den deutschen Text vor, die Übersetzung, die an diesem Morgen in der Tageszeitung abgedruckt war.  Doch wenn ich mich jetzt daran zurückerinnere, stelle ich mir gerne vor, wie sie mir den englischen Text vorgetragen hätte.

"There would be no childlike faith then, no poetry, no romance to make tolerable this existence."

Ihre Stimme versagt ein kleines Bisschen, wird brüchig und ich weiß, ich sehe sie an.

"Did you ever see fairies dancing on the lawn? Of course not, that's no proof, that they are not there."

Sie atmet ein und aus, ganz leise bin ich, warte darauf, wie es weitergeht. Und sehe im Geist die achtjährige Virginia vor mir, die  ungeduldig auf eine Antwort in der Zeitung wartet. Eine Antwort, die für sie die größte, vielleicht allergrößte Bedeutung in ihrem ganzen Leben haben wird.

"Tell me the truth: is there a Santa Claus?"

Vielleicht habe ich kurz darüber nachgedacht, ob es einen Weihnachtsmann  geben kann, doch in meiner Welt kam zu Weihnachten das Christkind. Jenes blondhaarige Mädchen im strahlend weißen Kleidchen, das Geschenke und Süßigkeiten im Schlepptau hatte.

"How dreary would be the world if there were no Santa Claus! (...) Thank God, he lives. And lives forever. A thousand years from now, Virginia, nay, 10times 10,000 times from now, he will continue to make glad the heart of childhood."

Erst heute, 21 Jahre später, denke ich wieder an die Worte, die sie mir an diesem Nachmittag im frühen Winter vorgelesen hat, und die heute noch genauso aktuell sind, wie im Jahre 1897 in New York, als ein kleines Mädchen namens Virginia O'Hanlon  die mutigste Frage aller Zeiten gestellt hat.


(http://www.nysun.com/editorials/yes-virginia/68502/)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen