Montag, 4. Januar 2016

Silvesterglanz

Langsam lichtet sich der Nebel, der Silvesterglanz beginnt, sich aufzulösen. Das neue Jahr ist schon wieder vier Tage alt, 362 verbleiben bis Jahresende.
In Wohnungsecken dämmern noch Reste der rauschenden Feiertage, zwischen den Jahren fehlte einfach der Elan, alles wegzuräumen.
Konfetti und Luftschlangen dösen neben Sektkorken, eine halbleere Colaflasche trudelt klebrig in einer Masse, die irgendwie entfernt an Bleigießen erinnert. Vielleicht ein Schwert? Neuanfang und Willensstärke, oder doch der langhalsige Kormoran, der gute Gesundheit prophezeien will?
Eine Olive vom Raclette am heiligen Abend erinnert an gemütliches Beisammensein. Wiskeyschwanger zwar und sektgetränkt, doch mühsam zeigen sich Erinnerungsfetzen an buntes Geschenkpapier und Ferrero Rocher.
Über das Weihnachts-Silvester-Sammelsurium wölkt sich leise eine Wollmaus, irgendwo unterm Schrank hat sie ihr Nest verlassen und bemüht sich zum restlichen Unrat.
Die Silvesternacht hat sich inzwischen vollends verflüchtigt. Die letzten Böller sind verschossen, ihre Hülsen und Stäbe zieren Stadt und Straßen, gelegentlich auch einen Baum. Ausgefeuert hat ihre Munition, nass und schlabbrig liegt sie auf Asphalt, zu Brei geworden ist der Glanz. Zu Kätzchen geschrumpft sind Silvester- und Neujahrskater, ausgestanden ist der Rausch,

Nüchtern auf dem Balkon stehen, im Unterhemd, in den kalten vierten Januar hinausblicken. 
Ein Zug an der Zigarette, aahh.
"Das letzte Mal rauchen..." Ein Spruch in der Feierei kurz vor Mitternacht, leichtfertig, während Prosecco in Flöten wunderschön golden glitzert. Silvesterträumerei.

Realität.

Feiertagsstress, vorbei. Alltagswellness kann wieder einkehren und süßes Nichtstun vertreiben.

Endlich werden die Schätze der Wohnungsecken gehoben, so manche Überraschung kommt zum Vorschein.
Ein Knallbonbon, nicht explodiert, wird zurück im Schrank verstaut, es wird sich schon eine Gelegenheit bieten.
Eine einzelne Nylonsocke mit Loch, irgendwer ging wohl einsockig nach Hause. Oder war ein Einbeiniger zu Gast?

Nebel hat in der Silvesternacht alles verschlungen, was sich ins Freie gewagt hat. Pünktlich zur Mitternacht wurde er so träge und fett, dass selbst die hellsten und lautesten Knaller nur ein "Poof" waren, der irgendwie als gedämpfter Lichtblitz durch den Nebel zuckte. Tief wie Donnergrollen surrte die Luft, die Hand war vor Augen kaum zu sehen. Der Gestank nach Schwarzpulver und Alkohol setzte sich in Nasen fest, es half ein Wenig, sich tiefer im Überziehjäckchen zu verkriechen.
Silvester, ohne dass man Feuerwerk sieht.
Neujahrsmorgen, ohne Erinnerung an letzte Nacht.
Ist dann überhaupt Etwas geschehen, wenn man es weder sehen konnte, noch sich daran erinnern kann?

Das Sammelsurium mit den Wollmäusen erinnert daran, zur Genüge. "Happy New Year" verkündet ein Streudeko-Schriftzug, da war doch was.
Zwischen all diesen Erinnerungsfetzen verblasst nach und nach der Silvesterglanz. Die schicken Anzüge und Kleider versinken  auf Nimmerwiedersehen in Kleiderschränken, die unbequemen Schuhe  fallen der nächsten Sammlung zum Opfer.
Das alte Jahr wird fortgewischt, restlos ausgekehrt, zusammen mit dem Feiertagssammelsurium aus den Wohnungsecken. #

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