Dienstag, 30. August 2016

Entschuldigung, sitzt mein Nasenpiercing noch richtig?


Die Luft steht in dem Studio, das sich an den Klassenraum angliedert. Muffig und irgendwie abgestanden, seltsam schal und scharf dringt Staub in unsere Nasen, legt sich auf unsere Bronchien.
Wir machen hier jetzt mal Fotos, guckt euch mal um und macht euch einen Lichtaufbau, wie ihr das aus euren Studios kennt!“ Die Lehrerin, altersmäßig schwierig einzuschätzen, sportlich gekleidet und mit blond-dunklen Haaren lässt sich auf den Hocker fallen, der vor dem Studiorechner steht. „Mal sehen, was sich hier so über die Ferien getan hat...“ Sie blickt auf den Bildschirm, drückt Tasten und gibt Passwörter ein, verbindet die Kamera mit dem iMac.
Wir stehen zu viert im Halbkreis, sehen uns an, S lacht schief. „Wir haben bei uns ein Haarlicht, eine Softbox und ein Hintergrundlicht, das einen Verlauf zeigt“, beginnt er, nestelt dabei irgendwie an seinem Tshirt herum. R nickt. „Wir haben kein Haarlicht, aber dafür noch einen Aufheller dazu.“ Ich überlege kurz. „Wir benutzen je nachdem das Haarlicht, haben aber auch eine Softbox, einen Aufheller und ein Hintergrundlicht.“
Die Lehrerin schaltet sich wieder ein, sieht S direkt an. „Dann würde ich doch sagen, wir fangen mit deinem Aufbau an. Bau du dir, wie du es gewohnt bist und es fotografiert dich dann jemand.“
Zusammen bauen wir Lampen und Lichter auf, verlegen Kabel und arrangieren uns mit dem Stromgenerator, bis unser Hintergrund dunkelgrau lichthell ist.
So S, das ist dein Aufbau, wer fotografiert dich jetzt darin?“ Ich mache einen Schritt nach vorne, nehme von der Lehrerin die Kamera in Empfang. S setzt sich auf den runden Winzhocker, von dem auf beiden Seiten ein wenig seiner Masse herabhängt. „Lass mich bitte dünn aussehen!“ Er lacht. Ich mag Menschen, die über sich selbst lachen können und nicht toternst sterben müssen. Langsam lockert sich die Stimmung, auch R und M lachen, aus den Augenwinkeln kann ich sehen, wie unsere Lehrerin sich entspannt.
Setz dich bitte mal ein wenig seitlicher, dreh deine Beine nach da“, als wäre er ein Bewerbungsfoto-Kunde im Studio postiere ich ihn, rücke ihn ins rechte Licht. Er lächelt mich freundlich an, wackelt dann irgendwie mit der Nase.

Entschuldigung, aber sitzt mein Nasenpiercing noch richtig?“

Ich lasse die Kamera vor meinen Augen sinken, starre S‘ Nase an und muss lachen. Auch R und M lachen, die Lehrerin beugt sich nach vorne, betrachtet sich ebenfalls ausgiebig die Nase ihres neuen Schülers. „Ähm.. ja, kann man so sagen!“
Was soll da denn nicht sitzen?“ R japst leicht nach Luft. „Na, ob das Septum schief oder gerade ist, Mann!“ S fummelt an seinem Piercing herum, goldfarben ist es und wirkt in seinem Gesicht irgendwie verloren. Zusammen mit den Stracciatella-Tunnels ergibt sich jedoch wieder ein Bild, das mich zufrieden stimmt. Ein sympathischer Typ, geht mir durch den Kopf, während ich versuche, sein leichtes Übergewicht auf dem Foto für den neuen Schülerausweis zu kaschieren.

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