Freitag, 17. Juni 2016

Das heimliche Paar I

Irgendwo in den Straßen Frankfurts. 
Verkehr und Busse plärren über die Straßen, rumpeln über rote Ampeln und hupen Touristen an, die begeistert auf Gehwege zurückspringen. 
Jemand schreit, während aus einem Kinderwagen zufrieden das Gequieke eines Babys mit Schnuller dröhnt. 
Anonym und leer stieren die Augen des Publikums auf die Szenerie, zu oft gesehen, zu oft gehört. Immer dasselbe in den Straßen, die von Leben zu überfüllt und vollgeparkt sind. Desinteresse begleitet die täglichen Blechkolonnen, die Kilometer um Kilometer im Stau verharren. Allmorgendlich werden die Reste des Vortags aus den Ladenlokalen auf die Gasse gefegt, wo Kohlendioxidwind sie zusammen mit den Autoabgasen zu den Wolkenkratzern hinauf jagt. Dahin, wo die Luft reiner und leichter ist, wo Rauchschwaden sich spiegeln, wenn es mal brennt und Flugzeuge so verschwommen aussehen, als flögen sie über einen Teich. Hier glitzert noch das Sonnenlicht, hier streiten einige Raben um den besten Platz,  um die Hektik von Frankfurts Straßen in schönster Pracht erleben zu können. Straßentheater über den Dächern der Stadt.
Zurück auf der Straße, Ernüchterung, der Verkehr steht noch immer. Lediglich die S- und U-Bahnen gleiten durch die Moderluft der Tunnelsysteme. 
In einer Seitenstraße, wo sogar der eine oder andere Baum seine Krone im Wald aus Häuserfronten erhebt, entdeckt man sie. In eine tiefe Fensternische geschmiegt, abwassergrau das Haus, stehen sie. Für jeden zu sehen, der an ihnen vorübergeht. Und gleichzeitig für niemanden wahrzunehmen. 
Ein heimliches Paar.
Zwischen Verkehrsdung und Endlosstau, zwischen Asphaltbäumen und Dächern aus Dunst.
Sie lehnt an der niedrigen Fensterbank, ein Bein angewinkelt, das andere ausgestreckt, ihre Knie berühren leicht den Stoff seiner Jeans. Er hält sie sanft, hat seinen Arm um ihre Schultern gelegt, eine Hand fasst sie am Kinn. 
Irgendwo in den Straßen Frankfurts und in seinem Kuss versunken findet sich das heimliche Paar.

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